zu: Jürgen Habermas, aus: "Theorie des kommunikativen Handelns" Band 1, 1988, suhrkamp
Rationalität
Das Wort "Rationalität" stammt vom lateinischen ratio, -onis f. "Vernunft" ab.
Die Frage "Was ist rational (vernünftig)?" kann nur über zwei Schritte beantortet werden: Erstens muß festgestellt werden, was überhaupt die Eigenschaften "rational" oder "irrational" tragen kann, dann kann erst bestimmt werden, unter welchen Bedingungen eine dieser Eingenschaften zugewiesen werden kann.
Erstere Frage kann folgendermaßen beantwortet werden:
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Personen, Handlungen können rational oder irrational sein (verfügen über oder verkörpern Wissen):z.B.: Männer, Frauen, Kinder, Buschauffeure, Minister; Entschuldigungen, Kriegserklärungen, Konferenzbeschlüsse, Reparaturen, ...
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Gegenstände, Ereignisse usw. können nicht rational/irrational sein: z.B.: Fische, Fliederbüsche, Gebirge, Straßen; Unfälle, Lottogewinne, Erkrankungen, ...
Um als rational zu gelten, müssen Aussagen/Handlungen folgende Eigenschaften haben:
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Sie lassen sich begründen: ein Argument erhebt einen Wahrheitsanspruch, eine Handlung verfolgt ein Ziel
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Rationale Aussagen/Handlungen können kritisiert werden und fehlschlagen, das Scheitern kann begründet werden, die Fehler eruiert und das Argument bzw. die Handlung verbessert werden
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Begründungen müssen für die Gesprächspartner verständlich sein: Es werden dazu oft allgemein zugrunde gelegte Normen gebraucht, auf denen Begründungen aufbauen können, oder Wertvorstellungen des Argumentierenden, die allerdings nur dann als Grundlage dienen können, wenn sich dieser konsistent daran hält.
Alle argumentativen Gespräche, auch die gesamte Unterrichtssituation ist zu diesen zu zählen, sollten aus rationalen Argumenten aufgebaut werden, da der Gesprächspartner (beim Lehrer meist die Schüler) sonst dem Gespräch nicht folgen kann, da er die Argumente nicht versteht.
In diesem Zusammenhang sind die möglichen Argumentationstypen interessant, mit denen diese Gespräche aufgebaut werden können, und welcher Art jene kontroversen Argumente sein können, die im Gespräch einen Geltungsanspruch erheben, und über die / mit denen diskutiert werden kann:
Argumentationsform | Äußerungstyp | kontroverse Geltungsansprüche |
theoretischer Diskurs | kognitiv-instrumentell | Wahrheit von Behauptungen; Wirksamkeit zielgerichteter Handlungen |
praktischer Diskurs | moralisch-praktisch | (moralische) Richtigkeit von Handlungsnormen |
ästhetische Kritik | evaluativ | Angemessenheit von (persönlichen) Wertstandards |
therapeutische Kritik | expressiv | Wahrhaftigkeit von Expressionen, eigenen Erlebnissen |
explikativer Diskurs | explikativ | Verständlichkeit/Wohlgeformtheit von Kommunikationsmitteln |
Ein erfolgreiches Gespräch, besonders die ideale Gesprächssituation, muss mit rationalen Argumenten aufgebaut werden, also solchen, die derart begründet werden können, dass sie von den anderen Gesprächsteilnehmern nachvollzogen werden können.